Deutschland ist in
diesem Jahr Gastgeber der Frauenfußball-Weltmeisterschaft. Vom 26. Juni bis zum
17. Juli 2011 kämpfen die Teams aus 16 Ländern um den sechsten WM-Titel. Die
bpb informiert über die Geschichte des Frauenfußballs und berichtet über
Hintergründe abseits der üblichen Sportberichterstattung. Außerdem: die wichtigsten
Länderdaten zu allen WM-Teilnehmern.
Frauenfußball - zurück aus dem Abseits
Die Geschichte des Frauenfußballs zeigt, dass Spielerinnen mit unterschiedlichsten Klischees konfrontiert wurden. Gleich geblieben ist nur die Folie, vor der die Zuschreibung erfolgt: die Folie der Männerperspektive auf Männerfußball.
Es war ein langer Weg
von den ersten Frauenfußballspielen bis zur Weltmeisterschaft in Deutschland.
Hier im Bild die deutsche Spielerin Simone Laudehr im Zweikampf mit der
Norwegerin Nora Holstad Berge bei einem Vorbereitungsspiel in Mainz. (© AP)
Unter dem Slogan
"20Elf von seiner schönsten Seite" findet vom 26. Juni bis zum 17.
Juli 2011 die "FIFA Frauen-Weltmeisterschaft" in Deutschland
statt.[1] Seit 2008 wird das sportliche Weltereignis vom Organisationskomitee
des Deutschen Fußballbundes (DFB) unter Leitung der ehemaligen
Nationalspielerin Steffi Jones vorbereitet, und die Werbung für Event, Sportart
und Spielerinnen läuft auf Hochtouren. Welches Bild des Frauenfußballs ist es
nun, das seit einigen Jahren von Veranstaltern und Medien in der Öffentlichkeit
lanciert wird? Jones sagte dazu bei der Präsentation des Slogans: "Die
Emotionen des Fußballs generell, die besondere Ästhetik und Dynamik des
Frauenfußballs und die einzigartige Atmosphäre einer WM - all' diese Aspekte
vereint unser Leitspruch. (...) Jeder soll dabei sein, wenn im Jahr 2011 die
besten Frauen der Welt die schönste (Neben)Sache der Welt zelebrieren. In der
für Frauen typischen Art und Weise: elegant, dynamisch, technisch versiert,
leicht und locker ... kurzum: schön."[2]
Hier scheint sich in
den vergangenen Jahren ein fundamentaler Wahrnehmungswandel vollzogen zu haben:
Das lange gepflegte Klischee der Ball tretenden "Suffragetten",
"Mannweiber" oder "Kampflesben" scheint ausgedient zu haben
zugunsten eines neuen Klischees der "emotionalen und schönen" Frauen,
die ebensolchen Fußball spielen. Was gleich geblieben ist, ist die Folie, vor
der die Zuschreibung erfolgt: die Folie der Männerperspektive auf Männerfußball.
Nach zahlreichen
internationalen Erfolgen der deutschen Nationalmannschaft - sieben Europa- und
zwei Weltmeistertitel, sowie dreimal olympisches Bronze in knapp 30 Jahren -
bietet die Frauen-WM einen geeigneten Anlass, einen bilanzierenden Blick auf
den Frauenfußball zu richten und dabei über das reine Spiel hinaus zu sehen.[3]
Dabei ist auszuloten, inwieweit sich Fußball als "eines der letzten
Reservate von Männlichkeit",[4] das seismografisch auf die Auflösung von
klassischen Rollenbildern oder Geschlechtszuschreibungen reagiert, dazu eignet,
die Frage nach Emanzipation anhand der Kriterien Ausgrenzung und Teilhabe,
Rahmenbedingungen und gesellschaftlicher Wahrnehmung zu erörtern. Zudem soll
nach der emanzipatorischen Wirkkraft speziell des Frauenfußballs gefragt
werden. Denn die zurückliegenden Jahrzehnte der mehr oder minder friedlichen
Koexistenz von Fußball und Frauenfußball haben gezeigt, dass diese
Unterscheidung notwendig zu sein scheint, um beiden Phänomenen gerecht zu
werden.
Spielstand 1900
Fußball schien lange Zeit mit unhinterfragter
Selbstverständlichkeit nur ein Sport für Männer zu sein. Fußball spielende
Frauen wurden als Abweichung von der Norm wahrgenommen, sie hatten sich für ihr
Fußballspiel zu rechtfertigen und mit Behinderungen und Verboten
auseinanderzusetzen. Das war aber nicht immer so. In Handbuchartikeln zur
Entstehungsgeschichte des Fußballs ist nachzulesen, dass Frauen an den
frühesten Spielformen im Mittelalter beteiligt waren.[5] Und noch im 18.
Jahrhundert wurde der vormoderne Fußball zum Vergnügen auf kirchlichen Festen
von Frauen und Männern gespielt. Dabei sind sowohl Spiele von gemischten Teams
überliefert als auch Spiele, bei denen Frauen gegen Männer oder Frauenteams aus
unterschiedlichen Dörfern gegeneinander antraten.[6] Im Gegensatz zu heute war
das Geschlecht noch kein trennendes Kriterium für die Mannschaftsbildung.[7]
Der moderne Fußball
entwickelte sich zwischen 1750 und 1850 aus dem unregulierten
Volksfußballspiel. Das Spiel wurde in England von Schulen aufgegriffen und dort
durch die Festschreibung von Regeln formalisiert. Die Pädagogen sahen in ihm
eine Möglichkeit, die Persönlichkeitsentwicklung von Schülern zu fördern und es
auf der Basis von überregional verbindlichen Regeln auch mit der Wettkampfidee des
modernen Sports zu verbinden.[8] Frauen und Mädchen wurden zu dieser Zeit zwar
noch in geringem Umfang beteiligt,[9] Fußball war aber sowohl in England als
auch später in Deutschland das Spiel, das in erster Linie für Jungen etabliert
und ausgebaut wurde. Die geringe Beteiligung von Mädchen und Frauen wurde mit
der Zeit immer weiter eingeschränkt, und ausgehend von der
Geschlechterdifferenzierung wurden sie schließlich ganz vom Fußballspiel
ausgeschlossen.
Zunächst hatte die
Zahl der Fußball spielenden Frauen jedoch zugenommen. In England gründete 1894
Nettie Honeyball das erste Frauenfußballteam, und am 23. März 1895 fand ein
Spiel zwischen einer nord- und einer südenglischen Frauenauswahl vor rund 10000
Zuschauern statt. Auch für den Anfang des 20. Jahrhunderts lässt sich durchaus
eine Beteiligung von Frauen am Fußballspiel feststellen. Sie traten
gegeneinander an, spielten in gemischten Teams oder auch gegen
Männermannschaften.[10] Dagegen war im Kampf um gleiche bürgerliche Rechte, den
Nettie Honeyball als Frauenrechtlerin und Lady Florence Dixi, Präsidentin des
Frauenfußballclubs und aktives Mitglied der Frauenstimmrechtsvereinigung,
vermutlich auch führten, noch keine Lösung in Sicht.[11] Erst 1918/19 wurde der
Forderung der Frauenwahlrechtsbewegung in Deutschland, England und Frankreich
mit der Einführung des Wahlrechts für Frauen nachgegeben.
Erster Weltkrieg - Stunde der Fußballerinnen?
Während des Ersten
Weltkriegs kam der Ligaspielbetrieb der Männer fast vollständig zum Erliegen;
vor allem in England entwickelte sich der Frauenfußball nun unter sehr
günstigen Rahmenbedingen weiter. Es gründeten sich viele neue
Frauenfußballmannschaften, und die Football Association (FA) stellte den Frauen
wegen der großen Zuschauernachfrage Plätze und Infrastruktur zur Verfügung. Die
Eintrittsgelder der Spiele wurden ausschließlich für wohltätige Zwecke
verwendet. Das bekannteste Frauenteam dieser Zeit waren die "Dick Kerr's
Ladies", die 1917 von den Arbeiterinnen einer Munitionsfabrik in Preston gegründet
worden war. Sie spielten am 26. Dezember 1920 in Everton vor 50000 Zuschauern
gegen die "St. Helen Ladies", im selben Jahr in Paris vor 20000
Zuschauern gegen eine französische Frauenfußballauswahl und gewannen 1922 auf
einer Tour durch die USA und Kanada gegen Männerteams. Ende 1921 hatte fast
jede größere Stadt in England ein eigenes Frauenfußballteam; durch den
regelmäßigen Spielbetrieb kam es zu Leistungssteigerungen und
Professionalisierungstendenzen.[12]
Parallel zu dieser
Entwicklung im Frauenfußball wurden Frauen verstärkt für die Erwerbsarbeit
mobilisiert, um die im Krieg dienenden Männer zu ersetzen. Viele Frauen machten
durch die Aufwertung der Frauenarbeit und die damit verbundene finanzielle
Unabhängigkeit die Erfahrung von Freiheit.[13] Doch die Vermutung, der Erste
Weltkrieg habe die Beziehung zwischen den Geschlechtern von Grund auf umgewälzt
und eine emanzipatorische Wirkung gehabt, haben Historikerinnen widerlegt.[14]
Nach dem Krieg
verwiesen die zurückgekehrten Männer die Frauen in vielen Gesellschaftsbereichen
wieder auf ihren ursprünglichen Platz in der Familie zurück. Sowohl in
Deutschland als auch in England fehlte es an Akzeptanz für die Erwerbsarbeit
von Frauen, lediglich in Frankreich schien eine tolerantere Haltung gegenüber
berufstätigen Frauen möglich zu sein.[15] Ob dies auch den unterschiedlichen
Umgang in Frankreich und England mit dem Frauenfußball erklärt, wäre zu
überprüfen.
In England schuf die
FA 1921 für den Frauenfußball unüberwindbare Hindernisse, indem sie ihren Mitgliedsverbänden
verbot, auf ihren Plätzen Frauenfußballspiele auszutragen. Als offizielle
Begründung für diese Entscheidung wurden angebliche Unregelmäßigkeiten bei den
für wohltätige Zwecke bestimmten Eintrittsgeldern angegeben.[16] In Frankreich
konnten die Frauen dagegen zunächst ungehindert von Verboten Fußball spielen,
gesellschaftlich stießen sie aber auch hier auf eher ablehnende Reaktionen. Im
Wettbewerb um die französische Frauenfußballmeisterschaft, der bis Anfang der
1930er Jahre ausgetragen wurde, war vor allem das 1917/1918 gegründete Team von
Fémina Sport Paris erfolgreich, das den Titel mehrmals gewann und auch
regelmäßig eine große Anzahl Spielerinnen für die Auswahl bei internationalen
Begegnungen stellte. Ende der 1920er Jahre fehlte es den Frauenfußballvereinen
jedoch an Nachwuchs, das Interesse der Zuschauer ließ nach und im Zuge der
Weltwirtschaftskrise stellten die Sportdachverbände die staatlichen Zuschüsse
ein, die den Spielbetrieb außerhalb Paris ermöglicht hatten.
Quelle:
http://www.bpb.de/gesellschaft/sport/frauenfussball-wm-2011/
http://www.bpb.de/gesellschaft/sport/frauenfussball-wm-2011/
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen